Dekadenzdichtung

Dekadenzdichtung (französisch décadence „Verfall“) ist die vage und umstrittene Bezeichnung für eine Vielzahl an literarischen Strömungen und Einzelwerken um die Jahrhundertwende (1900), deren Gemeinsamkeit in ihrer entschiedenen Ablehnung des Naturalismus liegt. Allgemeines Kennzeichen ist eine subjektivistisch-ästhetizistische Kunst- und Weltanschauung, die zu einer bewusst anti-bürgerlichen, anti-moralischen, anti-realistischen und anti-vitalen Selbstbestimmung führt und als Überfeinerung wahrgenommen wird.

Diese Überfeinerung wurde als Symptom einer Zeit kulturellen Verfalls (vgl. Dekadenz) gedeutet und spätestens seit Friedrich Nietzsche Gegenstand einer polemischen Zeitkritik. Die Bezeichnung Décadence wurde eingeführt von dem französischen Dichter Paul Verlaine. Dieser sagte von sich selbst: „Je suis l’Empire à la fin de la Décadence.“ Dies heißt: „Ich bin das Reich am Ende der Dekadenz.“[1] Mit Reich ist die Epoche vom ersten französischen Kaiserreich unter Napoléon Bonaparte bis zum Ende des zweiten Kaiserreichs unter Napoléon III. gemeint, das 1870 im Krieg gegen Deutschland unterlag. Während vor allem in der französischen Literaturszene die Sensibilität von Dichtern wie Charles Baudelaire gegenüber dem Sublimen, Rauschhaften, Stimmungsvollen und Morbiden zeitweise gefeiert wurde, veranschaulicht Nietzsche in Der Fall Wagner (1888) sein Negativurteil über eine moderne „Nervenkunst“ als Erschöpfung und Auflösung. Oswald Spengler führte dieses alarmistische Geschichtsbild in Der Untergang des Abendlandes (1918) fort.

  1. Engel, Eduard: Geschichte der französischen Literatur. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. 10. Auflage, Friedrich Brandstetter Verlag, Leipzig 1927, Seite 503

© MMXXIII Rich X Search. We shall prevail. All rights reserved. Rich X Search